Eduard Georg Zemsch

                                      Bel Etage

Samstag 19.11.2011 (16 Uhr Vernissage) bis  17.12.2011

             Einleitung Dr. Katja Förster M.A.


  Zemsch Eduard, Schöpfung, Acryl auf Holz,2008

   

Auf Grund von Beobachtungen in der Natur sucht Eduard  Georg Zemsch die Ordnungssysteme und "Baupläne" mit den Mitteln der Geometrie und Zahlen-Symbolik bildnerisch sichtbar zu machen. Mit seinen mathematisch errechneten und konstruierten Kompositionen eröffnet er eine Bildwelt mit Zugang zu Themen, die über das Irdische hinausweisen.


Vita

1929 geboren in Mühlbühl (Fichtelgebirge)

Studium Bauingeneur-Wesen Technische Hochschule München und Karlsruhe, bis 1997 tätig als Prüfstatiker in Karlsruhe

Als Maler Autodidakt, prägend waren Kunstausstellungen in München und später in Karlsruhe


Eduard Zemsch Karlsruhe, Copyright 2011 Eduard Zemsch

Fotoalbum der Ausstellung Eduard Zemsch 2011 Galerie Voegtle Karlsruhe



Eduard Georg Zemsch – Ausstellung in der Bel Etage der Karlsruher Galerie Raimund Voegtle (19. November bis 17. Dezember 2011)

Leben und Werk von Eduard Zemsch sind auf das Engste miteinander verbunden. Daher werde ich zunächst seine Biographie kurz skizzieren, bevor ich dann auf seine Malerei zu sprechen komme.

Eduard Zemsch wurde 1929 im Fichtelgebirge geboren. Kindheit und Jugend verbrachte er in der Pfalz, wo er in Kaiserlautern 1949 das Abitur machte. Sehr gerne hätte er Landschaftsarchitektur und Biologie studiert. Doch in den Nachkriegsjahren, in denen sich alle Kräfte auf den Wiederaufbau der zerstörten Städte konzentrierten, war dies nicht möglich. So entschied er sich für ein Studium des Bauingenieurwesens, welches er an den Technischen Hochschulen in München und Karlsruhe absolvierte. Bis 1997 war er dann als freischaffender Bau- und Prüfstatiker in Karlsruhe tätig.

Von Anfang an hatte er großes Interesse an der Kunst. Bereits in der Münchner Studienzeit besuchte er Museen und zeitgenössische Kunstausstellungen und versuchte sich sogar selbst in der Malerei. Eine wunderschöne Interieurszene im Stil der Neuen Sachlichkeit dokumentiert diesen frühen künstlerischen Versuch. Für eine weitere ernsthafte Beschäftigung mit den bildnerischen Mitteln fehlte ihm aber bis zu seiner Zur-Ruhe-Setzung als Statiker 1997 die hierfür erforderliche Zeit. Dann allerdings richtete er sich in seinem Haus in der Gartenstadt ein eigenes Atelier ein und begann nach dem ihm adäquaten künstlerischen Ausdruck zu suchen.

Die ersten eineinhalb bis zwei Jahre dürfen als Zeit des Ausprobierens und Experimentierens bezeichnet werden. Zur technischen Vereinfachung reduzierte er in dieser Zeit die bildnerischen Gestaltungsmittel auf ihre elementaren Grundformen, auf Kreis, Dreieck und Quadrat und auf die Primärfarben Gelb, Rot, Blau. Die einfach gestalteten Kompositionen in Acryl auf Leinwand, meist in der Größe von 40 x 40 cm, zeigen z. B. ein hellblaues Quadrat auf mittelblauem Untergrund, wobei das innere, von seinem Umfang her kleinere Quadrat parallel zum quadratischen Bildträger oder um 45 Grad gedreht angeordnet sein konnte, so dass es dann von vier gleichschenkligen Dreiecken gefasst wurde.

Die mathematisch präzise Konstruktion, die für den Bau- und Prüfstatiker Eduard Zemsch jahrzehntelang eine zentrale Rolle gespielt hatte und in den Gemälden von 1997 und 1998 bereits klar zum Ausdruck kam, sollte zum entscheidenden Charakteristikum seines zukünftigen Oeuvres werden – jedoch nicht nur infolge seiner vormaligen Tätigkeit als Baustatiker und dieser frühen geometrischen Versuche, sondern vor allem auch weil er plötzlich überall in der Natur mathematisch bedingte Konstruktionsprinzipien zu entdecken begann. Beispielsweise erkannte er, dass die sechs Blütenblätter der Tulpe, der Narzisse und der Lilie im geöffneten Zustand so angeordnet sind, dass die drei innenliegenden sowie die drei außenliegenden Blütenblätter jeweils ein gleichseitiges Dreieck ergeben, die durch ihre gegenläufige Anordnung zugleich die Form eines sechszackigen Sterns, eines Hexagramms, bilden. Auch der fünfzackige Stern, das Pentagramm, findet sich als wichtiges formbestimmendes Prinzip in der Natur. Das Pentagramm ist noch von einem besonderen Proportionsverhältnis geprägt, indem alle Strecken und Teilstrecken das Teilungsverhältnis des Goldenen Schnittes aufweisen. Dieses Proportionsverhältnis, das bereits die alten Ägypter und vor allem dann die Griechen und Römer als Inbegriff einer idealen Proportionierung erkannt hatten, bedeutet, dass zwei Strecken im selben Verhältnis zueinander stehen wie die größere Strecke zur Gesamtstrecke. Errechnet man dieses Verhältnis mathematisch, ergibt sich stets derselbe Faktor von 1,618. In der Malerei von Eduard Zemsch folgen sowohl die einzelnen geometrischen Figuren als auch ihre Anordnung auf der Bildfläche diesem idealen Zahlen- und Proportionsverhältnis, das sich in der Pflanzen- und Tierwelt, in verschiedenen natürlichen Stoffen, in der musikalischen Harmonielehre, in den Spiralmustern von Galaxien etc. nachweisen lässt.

Für die exakte Wiedergabe der mathematisch bedingten Konstruktionsschemata stellte sich aber die Leinwand als ungeeigneter Bildträger heraus. Denn die von dem Künstler zunächst auf Millimeterpapier genau berechnete und dann mit Bleistift auf die Leinwand übertragene Komposition wurde von der schichtweise aufgetragenen Farbe verdeckt. Holz sollte daher für den Künstler zum idealen Malgrund werden, da er in dieses das geometrische Bildgerüst einritzen kann, welches als lineares Netz auch unter den Farbschichten zu erkennen bleibt.

Nachdem Eduard Zemsch 1999 zu passenden Arbeitsmaterial gefunden hatte, konnte er von nun an mit großer bildnerischer Überzeugungskraft seine Sicht auf oder vielleicht besser in die Natur, seine Weltanschauung, zum Ausdruck bringen.

Eines der ersten Bilder in Acryl auf Holz ist in der Ausstellung zu sehen. Es handelt sich um die 40 x 40 cm große Komposition „Schöpfungsprinzip“. Den quadratischen Bildträger hat der Künstler türkisfarben grundiert und in der Mitte – nach den Regeln des Goldenen Schnittes – ein goldfarbenes, gleichseitiges Dreieck angeordnet. Dieses zeigt in der Spitze eine kreisrunde Einkerbung, darunter zwei solcher Vertiefungen, dann drei und zuletzt, entlang der Basis, vier kreisrunde Vertiefungen. Der Punkt in der Spitze steht für die Eins bzw. die Einheit, die gleichbedeutend mit dem Unteilbaren, dem Vollkommenen, dem Absoluten, dem Göttlichen ist. Symbol für die Einheit stellt der Kreis dar.

Aus der Einheit entsteht durch Teilung die Zweiheit, die Dualität. Das dualistische Prinzip bestimmt nicht nur den Naturkreislauf, sondern auch unser Weltbild. Nur durch Gegensatzpaare wie Himmel-Erde, Immanenz-Transzendenz, Tag-Nacht, Hell-Dunkel, Männlich-Weiblich, Gut-Böse, Spitz-Stumpf etc. lässt sich das menschliche Sein begreifen, wobei die explizite Zweiheit stets seine implizite Einheit verkörpert.

Eins und zwei addiert, ergibt die Drei. Die schöpferische Dreiheit kommt in Körper-Seele-Geist, Vater-Mutter-Kind oder in der christlichen Theologie in Gottvater, Gottes Sohn und Heiliger Geist zum Ausdruck. Ihr Sinnbild ist das gleichseitige Dreieck.

Die Verdoppelung der Zwei ergibt die Vier. Mit der Vierheit kann erstmals der dreidimensionale Raum erschlossen werden, beispielsweise in der Form des Tretraeders, der sich aus vier gleichseitigen Dreiecken zusammensetzt. Die Vierheit steht in der Regel für das irdische Sein: die vier Elemente, die vier Himmelrichtungen, die vier Dimensionen oder auch die vier Temperamente. Ihr Sinnbild ist das Quadrat.

Diese genannten Figuren – Kreis, Dreieck, Quadrat, Tetraeder – bilden mit dem bereits erwähnten Pentagramm und Hexagramm das formale Fundament der Gemälde von Eduard Zemsch. Auf spielerische Weise verdoppelt, verdreifacht oder vervielfacht er diese symbolträchtigen Formen und kombiniert sie in immer neuer Weise miteinander.

Auch die Zahl 19, der Tag seiner Geburt, spielt eine wichtige Rolle in seinem Werk. Mehrere Kompositionen zeigen 19 gleichgroße Kreise, die sich jeweils im Mittelpunkt der Nachbarkreise schneiden. Dadurch entsteht ein vollkommen symmetrisches, hexagonal bestimmtes Blütenmuster, das durch das rahmende Kreisband zu einer einzigen, kreisrunden Blume wird. Freunde des Künstlers haben diesen später darauf hingewiesen, dass es sich bei dieser in sich kreisenden Figur um die so genannte „Blume des Lebens“ handle, die bereits in ägyptischen Tempeln der Pharaonenzeit zu finden war.

Vereinzelt nimmt Eduard Zemsch auch aktuelle wissenschaftliche Diskussionen als Anregung für eine Komposition. Das Motiv auf der Einladungskarte, der „Schöpfungs-Kosmos“ aus dem Jahr 2008, entstand als Folge von Stephen Hawkings eigener Korrektur an seinem Weltmodell von der Urknall-Singularität. Der Physiker räumte im Entstehungsjahr des Bildes vielmehr die Möglichkeit ein, dass es vor unserem Universum bereits ein Vorläuferuniversum gegeben haben könnte mit umgekehrter Zeitrichtung. Diese Hypothese fand bei Eduard Zemsch in der spiegelbildlichen Anordnung zweier Universen, die sich trichterförmig ausdehnen, ihren Ausdruck.

Eduard Zemsch zeigt in seinen Bildern die naturimmanenten Konstruktionsgesetze von Mikrokosmos und Makrokosmos auf. So scheint es fast, als habe der ehemalige Bau- und Prüfstatiker seinen Blick lediglich von den gebäudetragenden Konstruktionsprinzipien weg- und zu den natürlichen Schöpfungsprinzipen hingewendet, um nun hier, mit prüfendem Auge, stetig neue statische Ordnungssysteme aufzudecken.

 

© Dr. Katja Förster M.A., Kunsthistorikerin, Karlsruhe