Elly Weiblen

    Malerei und Parisbilder (Zeichnungen)

                         17.11.-15.12.2012

          Sa 17.11.2012 Vernissage, 16 Uhr

                            Einführung Clemens Ottnad M.A. Kunsthistoriker

              gemeinsame Ausstellung mit Roland Bischofberger Skulpturen



                                         Abb: Elly Weiblen " Wald", 2011,  Eitempera, Holz,26x57 cm, Galerie Voegtle Karlsruhe 2012

Abb.: Fotoalbum Ausstellung Eloly Weiblen Galerie Voegtle 2012


Elly Weiblen – Malerei und Parisbilder
Roland Bischofberger – Skulpturen
Galerie Voegtle, Karlsruhe 17.11. – 15.12.2012
Eröffnung der Ausstellung am 17.11.2012, 16.00 Uhr

„In einem Garten ging die Welt verloren, in einem Garten ward die Welt erlöst.“ Nun liegt mir persönlich nichts ferner, als einer irgendwie religiös motivierten Apologetik das Wort zu reden, Garten Eden und derjenige von Gethsemane (Gärten, die in diesen Pensées auch, wohlgemerkt auch gemeint sind) hin oder her. Der Urheber des eingangs genannten Zitates nämlich kann in dieser Weise keineswegs nur eindimensional verstanden werden; selber eine sehr schillernde Persönlichkeit hat er – und das bereits Mitte des 17. Jahrhunderts – ebenso den nüchtern betrachteten biologischen Kreislauf menschlichen Lebens einerseits wie andererseits die spirituell zugänglichen Möglichkeitssinne menschlicher Existenz überhaupt ineins zusammengesehen. Für den französischen Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal (1623-1662) – immerhin Miterfinder der Rechenmaschine, mannigfacher Namensgeber naturwissenschaftlicher Einheiten von Luft- und Schalldruck sowie gar einer Programmiersprache für Computer – erschienen die vermeintlich so widersprüchlichen rationalen und geistig-emotionalen Vorstellungsebenen durchaus und selbstverständlich zu vereinbaren. Entgegen den weitgehend vorherrschenden Clichées einer ausschließlich gegenständlich-figurativen Kunst auf der einen Seite und der vollständigen Abstraktion von der sichtbaren Dingewelt auf der anderen Seite könnte man – Pascal jäh auf Bereiche bildnerischen Arbeitens und deren Wahrnehmung übertragen – ein simultan wirkendes rationales Bilddenken gleichwertig zusammen mit einem emotionalen Bildfühlen einfordern, um so möglicherweise zur sprichwörtlichen Vernunft zu kommen, vielleicht in diverse Gärten hinein, und meinethalben auch in jede Menge Paradiese zurück.
Zusammen sehen wir nun in der Ausstellung Malereien (Eitempera auf Leinwand und Holz) und Tuschezeichnungen von Elly Weiblen sowie Skulpturen von Roland Bischofberger, die aus ganz verschiedenen Materialien gearbeitet sind. Vor dem Hintergrund des genannten Spektrums eines unbefangenen Sehens und Verstehens (in den Zwischenräumen zwischen Dingen und Undingen), das sich frei zwischen individuellem Bilddenken und Bildfühlen zu bewegen weiss, bieten die gezeigten Werke der in Korb lebenden Malerin und des in Boll ansässigen Bildhauers reichlich Stoff für Augenabenteuer. So grundverschieden die Arbeiten der Beiden auch erscheinen mögen, was die jeweils verwendeten Darstellungsmedien und Werkstoffe angeht, so ist ihnen doch eine streng konzentrierte Tektonik gemeinsam, die in der Malerei und Zeichnung insbesondere den Aufbau des Farb- und Tiefenraums betrifft, bei den Skulpturen vor allem dem Volumen und den diesen umfangenden Umgebungsraum gilt. Die so umgesetzte Offenheit in Deutung und Bedeutung – der realen Räume wie die der Vorstellungsräume gleichermaßen – verbindet die beiden künstlerischen Positionen im besten pascal’schen Sinne zusätzlich noch.

Vor den jüngst entstandenen Tafelbildern von Elly Weiblen stellen sich verstärkt Anmutungen von Naturlandschaft ein. Zwar fließen tatsächlich vor der Natur (beispielsweise am Meer, mit selbstvergessenem Wolkenblicken, hinüber in Horizonte) empfangene Eindrücke in die Malerei mit ein, mitnichten repräsentieren sie aber topografisch konkret bezeichenbare Orte und Areale. In sphärische Himmelsbläue oder untiefe Nebelozeane vielmehr vertieft, die sich allen gängigen Vorstellungen von Farbigkeit jedoch ganz entziehen (kein Firmament azur, nicht reingewaschene Schäfchenkumuli), sind in langwierigen und mit Bedacht immer wieder neu (nach)geschauten Malprozessen Kompositionen entwickelt, die sich widerständig gegen die genretypischen Konventionen zu sperren wissen: landunter und zugleich kopfüber, lastende Schwere und leichtes Schweben wechselweise den physikalischen Gesetzen trotzend, die Farbe sicher gesetzt und doch unvermutet dort, wo wir sie gerade nicht erwartet hätten; die Blickwinkel wandern im Kopf umher, kartierte Gebiete aus der Vogelschau gesehen und gleichzeitig doch der Ausguck über’s weite Land panoramisch ausgebreitet, von dem wir aber unversehens wieder in die Bildtiefe hinein, hinab und hinunter zu stürzen drohen; randständige Malformen und lineare Relikte unterlaufen hier eine etwaig bequem nachzuvollziehende Seherwartung, um gekonnt verführerisch eine ganz selbstsinnige Bildlogik einzunehmen. Auf der Suche nach dem vielbesagten Betrachterstandpunkt ist uns ein stabiles Sehen und Stehen schier abhanden gekommen, Farbe flirrt und flackert, und sie saugt uns damit förmlich in den Bildraum – in das Farbfühlen der Malerin – mit ein.

Dieses Farb(e/er)fühlen fließt (und fließt im Wortsinne) auch in die ausgestellten Zeichnungen ein, die Elly Weiblen von ihrem diesjährigen Atelieraufenthalt in Paris mitgebracht hat. Auf mit Tee durchtränkten asiatischen Papieren arbeitet sie mit Tusche nass in nass; gegenüber den Eitemperatafeln, die im Laufe von längeren Arbeitsintervallen in einem sukzessiv kontrollierten Bildaufbau entstehen, fordert dieses (fluide) Verfahren der Künstlerin eine rasche, intuitiv-spontane Vorgehensweise ab, in der das Verhältnis malerisch-zeichnerischen Kalküls und des im Verfließen wie zufällig Geschehenden in unterschiedlichen Tempi ungleicher verteilt ist. In dieser Unmittelbarkeit mögen sie dem Betrachter wie von ferne schemenhaft erinnerte Schattenbilder der zuvor vor Ort wahrgenommenen Farbe erscheinen, beziehen sie doch auch urban architektorale Elemente (Brückenbögen, Straßenverläufe u.ä. der französischen Metropole) in die Bildkompositionen ein und erzeugen damit wie selbstverständlich geometrische und organische Raumdurchdringungen zugleich, in einer Art dynamischer Stadtgärten.

Ebenso gänzlich undogmatisch – in einem unabhängigen Sehen, Wahrnehmen und Widergeben von Form und Raum, materialbedingt auch von Farbigkeit, den fühlbaren Temperaturen und Klängen ihrer je eigenen Oberflächen der Skulpturen – geht der Bildhauer Roland Bischofberger vor. Mal näher an der menschlichen Figur angelehnt, mal mehr abstrakten Raumkörpern oder archetypischen Bauformen zugewandt breitet er die Facetten seiner Vorstellungswelten vor uns auf. Holz, Stahl, Stein, Güsse, mit Lacken gefasst und vieles andere mehr bilden darin allein schon die Ausgangspunkte für seine in der Folge vielverzweigten (Bild)Erfindungen, die frei flottierend zwischen vermeintlich weit auseinanderliegenden Epochen und Kulturen zu wechseln vermögen, und die von Stoffen antiker Mythologie bis hin zu postmodernen Idealarchitekturen reichen können. In der Regel auf das ursprünglich Zeichenhafte überzeitlich gültiger Grundformen, Metaphern und Chiffren der menschlichen Kulturgeschichte ausgerichtet, feuern diese Arbeiten – trotz ihrer oft genug eher geringfügigen Dimensionen – die Imagination nachhaltig an; sie sind dinglich so präsent, dass sie problemlos auch größer zu denken sind. Analog den biografen Wegspuren des Künstlers vergegenwärtigen sie uns also mit Nachdruck ein nomadisierendes Ideengut im allerbesten Sinne, das viel mehr den in jeder Zeit notwendigen Kopfreisen vertraut, als einem bis zur geistigen Reglosigkeit abgesicherten (Denk)Immobilienbesitz, der uns mittels pauschaler Versprechungen der Warenwelt (die meist nirgends wirklich wahre Welten sind) zu Höchstpreisen mundtot – und damit augentot – zu machen versucht.

Die Arbeiten von Roland Bischofberger nehmen damit Modellcharakter in einem erweiterten Verständnis an. Sein Prokrustesbett einmal exemplarisch gesehen zieht der Künstler hier ganz augenfällig den über Jahrtausende überlieferten kunsthistorischen Topos des attischen Wegelagerers mit der eigenen Zeitgeschichte zusammen, in der – entgegen aller globalisierten Bemühungen – weltweit nach wie vor teils ungestraft gefoltert, gemordet und auf andere Arten und Weisen die Wahrheit beschnitten und zurecht gebogen wird. Wie erschöpft man denn auch sei: auf diesem modernen Eisenbett ist – wie seit ehedem schon – nicht gut ruhen, oder verweisen die vierkantigen Stahlsegmente gar auf den bereits zerstückelten Körper des unbedachten Liegegastes eines zeitgenössisch (gewalt)tätigen Polypemons?

Gleichwohl. Was die künstlerischen Positionen und Haltungen unserer zwei Künstler Roland Bischofberger und Elly Weiblen angeht, so gilt jedenfalls für beide, dass ihre Arbeiten – Skulptur und Malerei – sich gegen die immerwährenden Gefahren und Zwangslagen nur schematischer Sichtweisen und Einordnungen aufzulehnen verstehen. Nun gut, mag also der alte Pascal Recht behalten: „In einem Garten ging die Welt verloren, in einem Garten ward die Welt erlöst.“, aber was kümmern uns schon Paradiese oder Parajene, wenn wir doch schon diesseits Welten – mithin solche Bilderwelten – haben können!

Clemens Ottnad M.A.